„Wer von euch war denn schon einmal am Meer?“ – Diese beiläufig gestellte und eher rhetorisch gemeinte Frage des Klassenlehrers im Erdkunde-Unterricht war die Initialzündung für ein Projekt, das die (damalige) 7e nun schon seit über 8 Monaten verfolgt. Die ernüchternde Antwort zeigte nämlich, dass rund ein Drittel der 12-14jährigen noch nie in ihrem Leben das Meer gesehen hatte. Wie aber soll im Unterricht das curricular vorgeschriebene Thema „Naturkatastrophen“ nachhaltig vermittelt werden, wenn sich im Gespräch über Tsunamis herausstellt, dass jeglicher praktischer Lebensweltbezug fehlt? Durch eine glückliche Fügung ergab sich beinahe zeitgleich eine Förderungsmöglichkeit der STIFTUNG BILDUNG. Das Projekt „Chancenpatenschaften“ soll es gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Teilhabechancen ermöglichen, von- und miteinander zu lernen. Das Projekt schien wie gemacht für die heterogene Hauptschulklasse, in der Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen, Sprachkompetenzen und Bildungsbiografien Tag für Tag gemeinsam die Schulbank drücken und miteinander lernen.
Kurzerhand wurden Telefonate geführt, Anträge geschrieben und ein Projekt zum Themenkomplex „Schutz der Meere und Ozeane, Klimawandel & Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen. Lern-Tandems, die aus je zwei Schülerinnen und Schülern mit jeweils unterschiedlichem Wissens- und Sprachniveaus und verschiedenen kulturellen Hintergründen bestehen, erarbeiteten in verschiedenen Fächern über mehrere Wochen hinweg eigene Fragen, die dann in individualisierten Lernsettings beantwortet wurden. Begonnen wurde mit der Flora und Fauna der Ost- und Nordsee bzw. den Meeren der jeweiligen Herkunftsländer, zu denen erstes Basiswissen recherchiert und präsentiert wurde.
Ein Ausflug zum Timmendorfer Strand, inklusive eines Besuchs im dortigen Aquarium, musste aufgrund eines Bahnstreiks leider kurzfristig abgesagt werden. Stattdessen fuhr die Klasse kurzerhand ins Tropenaquarium des Tierparks Hagenbeck und konnte so nicht nur viele Meeresbewohner hautnah erleben, sondern durfte auch der Fütterung der Nil-Krokodile beiwohnen – ein Erlebnis, dass allen sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Im nächsten Schritt betrachteten die Schülerinnen und Schüler die Bedeutung, Nutzung und Veränderung der Meere durch den Menschen am Beispiel der Schifffahrt. Die Förderung der Stiftung Bildung ermöglichte es, hierzu bei einem weiteren Ausflug den Hamburger Hafen und des Internationale Maritime Museum Hamburg zu besuchen.
Im Weiteren wurden dann die Auswirkungen und die Gefährdung der Ozeane durch menschliches Handeln thematisiert. Um die Welt in den Klassenraum zu holen, wurde dazu die Diplom-Biologin Maria Schiffler eingeladen. Frau Schiffler berichtete in einem fesselnden Vortrag von ihrer Arbeit auf den Weihnachtsinseln und auf der nordfriesischen Hallig Oland. Die Klasse wiederum nutzte die Gelegenheiten ihre im Unterricht vorbereiteten Fragen zu stellen.
Der große Abschluss des Projekts steht nun im September unmittelbar bevor: Eine gemeinsame Fahrt auf die Nordseeinsel Wangerooge. Dabei können die Schülerinnen und Schüler all das Wissen, welches sie über Strand und Meer gesammelt haben, noch einmal unmittelbar selbst erfahren. Und beim nächsten Mal, wenn die eingangs beschriebene Frage nach dem letzten Besuch am Meer gestellt wird, können alle antworten und von ihren gemeinsamen Erlebnissen berichten. Und da behaupte nochmal jemand, Schulunterricht wäre nur trockene Theorie …
Tobias Baeumer, Heike Dyba und die Klasse 8e